Hier der Beitrag in "quer" vom 18. Oktober 2018:

"Stellen Sie sich vor, jemand versenkt im Waldboden tonnenweise Schwermetall. Ein Skandal – auch in Bayern! Eigentlich. Aber es ist auch immer die Frage, wer da genau den Boden verseucht. Wenn´s was mit Tradition ist, ist´s anscheinend net so schlimm." sagte Christoph Süß in seiner Anmoderation.
Unsere Forderungen als Sofortmaßnahmen zum Trinkwasserschutz:
- Verbot von bleihaltiger Munition durch das Landratsamt. Hierzu muss nur die Betriebserlaubnis geändert werden.
- Räumung des außerhalb der Schießanlage abgelagerten Bleis.
- Entsorgung der krebserregenden, PAK-haltigen Wurfscheibenreste, die bis Ende der 1990er-Jahre verwendet wurden und überall im Waldboden verstreut liegen.
Wasser- und Bodengefährdung mitten im Naturpark
Inmitten des Naturparkes Bayerischer Odenwald befindet sich die Schießanlage des Bayerischen Jagdverbandes. Hier schießen Jäger und Hobbyschützen unter anderem auf Wurfscheiben. Die Scheiben und Schrotreste regnen dabei auf den umliegenden Waldboden herab und stellen eine potenzielle Gefahr für das Trinkwasser dar. Ein Wasserschutzgebiet liegt nur wenige hundert Meter entfernt.
Antworten des Umweltministeriums auf die schriftliche Anfragen des Landtagsabgeordneten und stellvertretenden Vorsitzenden unserer Kreisgruppe, Dr. Hans-Jürgen Fahn, zeigen, dass sich das Landratsamt in der Vergangenheit bei den Genehmigungen für die Schießanlage in Mainbullau weder mit der Frage der erforderlichen Privilegierung der Schießanlage (Bauen im Außenbereich), noch mit den Vorgaben der Naturparkverordnung Bayerischer Odenwald in qualifizierter Weise auseinandergesetzt hat.
Die seit den 70er Jahren erfolgten Erweiterungen der Anlage wurden einfach durchgewunken. Bei jedem der vielen Ausbauschritte 70er Jahren hätten zwei Rechtsgebiete intensiv geprüft werden müssen:
Ist die Anlage gemäß § 36 BBauG als privilegierte Anlage im Außenbereich zulässig?
Die Schießanlage ist nur dann privilegiert, wenn dort überwiegend Jäger schießen. Dass dies so ist, wurde bei allen Genehmigungsanträgen durch den BJV behauptet, in Bezug auf den 17 m hohen Schrotfangwall der Skeet-Anlage wurde lt. der Antwort des StMUV/LRA sogar behauptet, diese Anlage werde ausschließlich zur Ausbildung von Jungjägern genutzt. Allerdings wurden diese Behauptungen niemals überprüft, obwohl es bei einfacher Recherche ohne weiteres möglich gewesen wäre, an der Richtigkeit dieser Behauptung zu zweifeln. Hier nur ein Beispiel: https://www.youtube.com/watch?v=v8L84L0Hcb4.
Bei dem großen Umbau der Schießanlage im Jahr 2008 war bekannt, dass die Schiessanlage auch intensiv von Sportschützen genutzt wird. Das Landratsamt hat dies jedoch nicht zum Anlass genommen, die behauptete Nutzung der Anlage zu überprüfen. Erst als eine Bürgerinitiative im Zusammenhang mit einem weiteren Ausbauantrag des BJV im Jahr 2013 eine solche Überprüfung gefordert hatte, stellte sich heraus, dass die überwiegende Nutzung der Schießanlage durch Jäger nicht nachgewiesen werden konnte.
Dass die Wurfscheibenschießanlage nicht ausschließlich zur Ausbildung von Jungjägern genutzt wird, lässt sich ganz einfach widerlegen: im Internet ist der Schießkalender veröffentlicht, dort finden sich zahlreiche Einträge wie "Regelschießen", "Wanderpokal der Sportschützen" oder "60 Tauben der Sportschützen".
Behauptung des Landratsamtes, dass der Umbau der Schießanlage im Jahr 2008 mit der Errichtung des 17 m hohen Schrotfangwalles an der Privilegierung der dahin bestehenden kleinen Schiessanlage teilhaben würde, ist rechtlich völlig abwegig. Der Umbau ist eine massive Erweiterung und hätte damit rechtlich neu geprüft werden müssen.
Darf die Schiessanlage im Naturpark Bayerischer Odenwald überhaupt gebaut werden?
Laut Paragraph 6 der Naturparkverordnung ist es in der Schutzzone des Naturpark verboten, Veränderungen vorzunehmen, die geeignet sind, die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts zu vermindern, den Naturgenuss zu beeinträchtigen oder das Landschaftsbild zu verunstalten. Ausnahmen hiervon dürfen nur erteilt werden, wenn das Vorhaben keine der vorgenannten Wirkungen hervorrufen kann.
Das Landratsamt behauptet, dass die Schießanlage mit der Naturparkverordnung vereinbar sei, ohne dies näher zu begründen. Insbesondere finden sich keinerlei Hinweise darauf, warum das Schießen von Bleischrot in den Wald und die mit dem Schießen verbundene Lärmbelästigung weder die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts noch den Naturgenuss beeinträchtigen können. Bereits kleinste Bauvorhaben wurden in der Vergangenheit im Naturpark verboten, die Schießanlage jedoch ohne qualifizierte Begründung durchgewunken.
Der Schießbetrieb auf Wurfscheiben muss eingestellt werden
Das Wasserwirtschaftsamt kam aufgrund eines Gutachtens zu dem Schluss, dass eine Gefährdung des Trinkwassers nicht auszuschließen ist. Dennoch läuft der Betrieb uneingeschränkt weiter. Der Bund Naturschutz fordert vom Landratsamt, die Genehmigung für die Anlage so lange zurückzuziehen, bis bewiesen ist, dass von der Schießanlage keine Gefahr für die Umwelt ausgeht. Das gebietet das im Grundgesetz verankerte Vorsorgeprinzip.
So fordert auch der vom BN beauftragte Gutachter und Geologe Dr. Otto Heimbucher: "Die Schließung des Schießplatzes ist anzuraten, als Mindestmaßnahme ist das sofortige Verbot für die Verwendung bleihaltiger Munition durchzusetzen."
Chronik der Schießanlage Mainbullau

03.11.1971
Genehmigung zur Errichtung und Betrieb eines Tontaubenschießstandes durch das Landratsamt.
17.02.1976
Genehmigung zum Betrieb eines Tontaubenschießstands zum „Trap“-Schießen (Tontauben- Wurf-Anlage) eines Pistolenschießstandes mit 5 Bahnen bei einer Distanz von je 25 m und eines Pistolenschießstandes mit 4 Bahnen bei einer Distanz von je 100 m auf der Schießanlage
27.08.1982
Inkrafttreten der Naturparkverordnung Bayerischer Odenwald, dort insbesondere § 6: „In der Schutzzone ist es verboten, Veränderungen vorzunehmen, die geeignet sind, die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts zu vermindern, den Naturgenuss zu beeinträchtigen oder das Landschaftsbild zu verunstalten.“
1983
Erste Beschwerden über Schießlärm
07.07.1983
Landesamt für Umweltschutz: „Grundsätzlich sollten … Erweiterungen genehmigter Schießanlagen, die mit einer Verschlechterung der Lärmsituation verbunden sind, in Zukunft nicht mehr in der Schutzzone des Naturparks genehmigt werden.“
14.11.1983
Genehmigung zur Erweiterung des bestehenden Tontaubenschießstandes um eine 15 Maschinen-Tontaubenwurfanlage durch das Landratsamt (Schießzeiten: Samstags 13.00-18.00 Uhr, Sonntags 9.00- 13.00 Uhr)
09.06.1992
Genehmigung zur Errichtung und Betrieb eines 60-m-Laufend-Wild-Standes (kombinierter Stand Kipphase - laufender Keiler)
11.09.2002
Genehmigung zum Anbau eines Kugelfanges an den bestehenden Laufend-Wild-Schießstand
23.03.2004
Genehmigung zur Erweiterung Aufenthalts- und Lagergebäude
08.03.2007
Genehmigung zum Neubau Gartengerätelager, Anbau Lagergebäude an best. Vereinsheim
19.03.2007
Genehmigung massive Erweiterung der Schießzeiten: Werktags 9.00-12.00 + 13.00-19.00 Uhr, Sonn- und Feiertags: 9.00-13.00 + 15.00-20.00 Uhr
27.02.2008
Genehmigung:
- Umgestaltung der Wurfscheibenanlage
- Errichtung Lärmschutz- und Schrotfangwall mit aufgesetzter Schrotfangwand
- Verlegung der schießtechnischen Einrichtungen für Trap, Skeet und Parcours
- Offene Schießstätte für Handfeuerwaffen, Sport/Jagdschießen, Wurfscheiben Trap / Skeet
- Neu zu errichten:
1 Wurfmaschinenstand für 3 Maschinen (Trap) 5 Schützenstände in 11 m Abstand vom Unterstand 2 Wurfmaschinen-Abzieherhäuser für Skeet
8 Schützenstände
2 Rollhasenanlagen mit je 3 Schützenständen
1 Kipphasenanlage mit 5 Schützenständen (Skeet) Kompakt-Parcours mit 4 Wurfmaschinen
1 Wartestand
1 Schutzhütte
1 Lärmschutz- und Schrotfangwall (Erdwall) mit aufgesetzter Schrotfang- wand in Holzbauweise
Das Landratsamt teilt 2016 auf Anfrage mit, dass die Voraussetzungen der Privilegierung des Bauvorhabens im Außenbereich (überwiegende Nutzung durch Jäger) nicht geprüft wurde. Das Vorhaben verstoße auch nicht gegen § 6 NaturparkVO. Eine Räumung des Bleischrots soll regelmäßig erfolgen, allerdings sei die Methode noch nicht geklärt. Die Auswirkungen auf das Landschaftsbild seien zu vernachlässigen. Auswirkungen auf geschützte Tierarten sind nicht geprüft worden
2008-2012
Errichtung eines 17 m hohen Schrotfangwalls mit rd 120.000 t „Bodenmaterial und Recyclingstoffe“ mit 4600 Lastwagenladungen. Herkunft teilweise nicht nachweisbar. Verbleib des belasteten Bodens unklar.
09.06.2012
Inbetriebnahme der umgebauten Schießanlage
2012
Der BJV errichtet einen 12.000 t umfassenden, ca, 100 m langen nicht genehmigten Stützwall hinter dem Schrotfangwall
25.10.2012
Antrag des BJV auf Änderung der der Schusszahlen bis zu 75.000 Schuss/Tag
Erweiterung der Schießzeiten: Normalbetrieb Werktags: 09.00 - 20.00 Uhr Sonn/Feiertags: 09.00 - 13.00 Uhr 15.00 - 20.00 Uhr; Wettkampfbetrieb (seltene Ereignisse, max. 10 Tagen im Jahr) Sonn/Feiertags 09.00 - 20.00 Uhr
Nach vehementen Protesten der BI Bleifreier Odenwald und aus Rüdenau wird der Antrag zurückgezogen.
28.01.2013
Antrag des BJV auf Erweiterung der 100 m Schießbahn auf 185 m
April 2013
Es wird diverser Bauschutt und Müll in dem Stützwall gefunden. Baueinstellung wird vom LRA angeordnet. BJV klagt gegen die Baueinstellung
28.07.2013
Kommunalpolitiker stehen hinter dem Schrotfangwall im Bleischrotregen
September 2013
Privat veranlasste Bodenprobe weist massive Bleibelastung des Bodens außerhalb der Schießanlage nach
17.10.2013
Nach vehementen Protesten der BI Bleifreier Odenwald und aus Rüdenau lehnt das Landratsamt den Antrag auf Erweiterung wegen fehlender Privilegierung und aus Naturschutzgründen ab.
November 2013
BJV reicht Klage gegen Ablehnung ein
Oktober 2013
Gutachter des BJV und Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg (WWA) nehmen Bodenproben
November 2013
Ergebnisse des WWA überschreiten Grenzwert für Blei bis zum 25-fachen. Landratsamt ordnet orientierende Untersuchung an. Rüdenau sorgt sich um sein Trinkwasser. Die BI Bleifreier Odenwald verlangt sofortige Beseitigung des Bleischrots.
08.04.2014
Die Klage des BJV gegen die Baueinstellung Stützwall wird vom VG Würzburg abgewiesen.
2014
Die orientierende Untersuchung dauert an.
2015
Die orientierende Untersuchung dauert an.
28.09.2016
Das Landratsamt genehmigt den Stützwall nachträglich wegen Bestandsschutz des Hauptwalles und keines Verstoßes gegen die NaturparkVO
28.10.2016
Das WWA stellt die Ergebnisse der orientierenden Untersuchung vor:
Der Verdacht einer schädlichen Bodenverunreinigung ist erhärtet, eine Gefährdung des Grundwassers kann nicht ausgeschlossen werden.
Das LRA will sicher stellen, dass nicht mehr über den Schrotfangwall hinaus geschossen wird und eine Detailuntersuchung beauftragen.
13.03.2017
Es werden frische Schrotkugeln außerhalb der Schießanlage nachgewiesen, eine Detailuntersuchung ist noch nicht beauftragt, das Bleischrot (geschätzte 40 – 50 t) liegt unverändert auf dem Waldboden.
13.03.2017
Informationsveranstaltung des Bundes Naturschutz zur Bleibelastung an der Schießanlage. Fachgutachter Dr. Heimbucher fordert unverzügliches Handeln des LRA:
- der belastete Bereich außerhalb der Schießanlage ist abzusperren
- Arbeiten in diesem Bereich sind zu verbieten
- der Boden ist umfassend, nicht nur punktuell auf seine Belastung mit Schadstoffen zu untersuchen
- eine bisher unterlassene Untersuchung auf PAK hat zu erfolgen
- ein Grundwassermonitoring ist einzurichten
- die Verwendung von Bleischrot ist zu verbieten
- die Schließung des Schießplatzes ist anzuraten
26.05.2017
Das LRA erlässt gegen den BJV einen Bescheid zur Durchführung einer Detaillierten Untersuchung. Gegen diesen Bescheid erhebt der BJV umgehend Klage.
24.07.2018
Das LRA schließt vor dem VG Würzburg mit dem BJV einen Vergleich, indem das LRA die Durchsetzung der Detaillierten Untersuchung zurückstellt und zustimmt, dass stattdessen fünf Grundwassermessstellen in Form von Saugkerzen „möglichst“ bis Ende 2018 eingerichtet werden, die in den nächsten fünf Jahren die Belastung des Grundwassers durch Blei, Antimon und Arsen feststellen sollen. Ob es hierbei zu aussagekräftigen Ergebnissen kommt, erscheint zweifelhaft, denn der Vertreter des Wasserwirtschaftsamtes hat in dem Verfahren ausgesagt, dass die Messung mittels Saugkerzen bei dem um die Schießanlage vorhandenen klüftigen Boden untauglich sei.